Es gibt nur wenige Städte auf unsrem Planeten, die so sehr faszinieren – aber auch nur wenige, die durch den Tourismus so sehr bedroht werden: Lagunenromantik, der morbide Charme alter Paläste, das weit verzweigte und prachtvoll ausgeschmückte Kanalsystem – mehr als 30 Millionen Touristen besuchen die Lagunenstadt Jahr für Jahr.

Die barocke Santa Maria della Salute vom Canal Grade aus betrachtet; nachdem Anfang des 17. Jahrhunderts eine Pestwelle einem Drittel der Stadtbewohner das Leben kostete, beschloss der damalige Stadtsenat eine Kirche zu Ehren der Jungfrau Maria zu errichten – ihre Anbetung sollte helfen, die Epidemie zu überwinden.

Die engen und verzweigten Gassen des Stadtteils San Marco werden zehn Monate im Jahr von Touristen regelrecht belagert; Sourvenirshops, überteuerte Cafés und unzählige Appartementanbieter säumen den Weg in Richtung Rialtobrücke und Markusplatz. Venezianer hingegen sucht man in diesem zentralen Stadtteil zumeist vergebens.

Der knapp 100 Meter hoher Campanile – auch Markusturm genannt – ist das höchste Bauwerk des historischen Zentrums; dass es sich bei dem viel besuchten Wahrzeichen streng genommen um eine Replik handelt, ist den wenigsten Touristen bewusst. Das ursprüngliche Turmhaus aus dem Jahre 991 stürzte nämlich 1902 ein, nachdem man versucht hatte, im Inneren des Gebäudes einen Fahrstuhl zu installieren.

Die Piazzetta San Marco gilt neben der Rialtobrücke als DER touristische Hotspot Venedigs; um diesen picturesquen Platz menschenleer und in Stille zu erleben, muss man früh aufstehen – sehr sehr früh!



Morgens um vier: Die ersten Cafébesitzer am Markusplatz bereiten sich bereits auf den anstehenden Tag vor; ich sehe duzende Müllmänner, welche die Piazza säubern und die wenigen Mülleimer entleeren, und ich sehe Venezianer, welche diese frühe Uhrzeit nutzen, um in der Stadt Sport zu betreiben

Die Basilica di San Marco: In den vielen Mosaiken oberhalb des Haupteingangs wird eindrucksvoll die christliche Heilsgeschichte dargestellt; trotz dieses religiösen Verweises, wurde die Basilika wohl eher aus Repräsentationszwecken erbaut bzw. aufwändig erweitert. Mitte des 13. Jahrhunderts war man in Venedig überzeugt davon, sich neben den alten Mächte Europas behaupten zu können.

Die Insel San Michele im Südwesten des historischen Zentrums beherbergt ein kleines Kloster und den gleichnamigen Friedhof. Obwohl zum historischen Zentrum zählend, ist die Insel vielmehr Resultat eines rechtlichen Erlasses: Nachdem im Jahre 1797 Napoleon die damalige Republik Venedig annektiert hatte, gewannen neue Rechtsvorschriften hier Gültigkeit. Einem Edikt zufolge durften Tote aus hygienischen Gründen nicht mehr im Umfeld von Kirchen begraben werden – dieser Erlass führte zur Gründung des Friedhofs.

Im Jahr 1950 zählte das historische Zentrum Venedigs 185.000 Einwohner – im Jahr 2016 waren es noch lediglich 58.000; ein Großteil der noch verbliebenen Venezianer lebt in Cannaregio – dieser im Nordwesten gelegene Stadtteil gilt als touristisch noch kaum erschlossen …



In Cannaregio trifft man noch Venezianer; sie führen Hunde spazieren, sitzen vor ihren Haustüren und gewähren ab und an Interessieren auch Einblick in ihre Hinterhöfe (wundervolle Gartenanlagen!). Schnell kommt man ins Gespräch und sie verraten einem auch, woran man erkennt, ob in einem Haus noch Venezianer leben:

Sind untertags die Rollos oben oder die Fenster gar offen, handelt es sich zweifelsfrei um ein vermietetes Appartement; echte Venezianer – so wurde mir gesagt – haben in den Sommermonaten stets die Rollos unten um sowohl der Sonne als auch den Touristen den Blick in die Wohnung zu versperren.